Politik

Brüssel legt sich mit Merkel an: Verfahren wegen Ökostrom-Förderung

Die EU-Kommission beschert den deutschen Unternehmen ein faules Osterei vor Weihnachten: Sie wird wegen der Ökostrom-Förderung ein Beihilfe-Verfahren gegen Deutschland einleiten. Im schlimmsten Fall drohen den Unternehmen Rückzahlungen in Millionenhöhe. Noch 2002 hatte die Kommission das EEG als unbedenklich eingestuft.
13.12.2013 19:21
Lesezeit: 2 min

Die EU-Kommission zieht gegen das Ökostrom-Fördersystem in Deutschland zu Felde und stellt damit die zentrale Säule der Energiewende infrage. Die Brüsseler Behörde halte die Regelungen für wettbewerbsverzerrend und leite daher ein Beihilfeverfahren ein, heißt es in einem Reuters vorliegenden Entwurf eines Schreibens von Kommissar Joaquin Almunia an die Bundesregierung. Ihm sind besonders die Befreiung energieintensiver Branchen von der Umlage für den Ökostrom-Ausbau ein Dorn im Auge. Damit drohen großen deutschen Industriekonzernen insgesamt Nachzahlungen in Milliardenhöhe. Pro Jahr summieren sich die Rabatte auf etwa fünf Milliarden Euro.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bereits am Donnerstag vor dramatischen Auswirkungen des von der EU-Kommission erwogenen Beihilfeverfahrens gegen das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) auf deutsche Unternehmen gewarnt. Merkel sagte, dass Deutschland in einem solchen Verfahren aus Brüssel geschlossen auftreten würde: "Wir werden sehr gemeinschaftlich deutlich machen, dass wir gewillt sind, die Energiewende und die Einhaltung europäischen Rechts natürlich zu gewährleisten, aber dass wir auch alles daran setzen, um die Wirtschaftskraft unserer Unternehmen zu stärken." Merkel räumte ein, dass zu dem Thema in den kommenden Jahren "eine ganze Reihe von Diskussionen mit der EU-Kommission" notwendig würden.

Mit der formellen Eröffnung des Verfahrens wird am Mittwoch gerechnet. Ob die Industrie-Unternehmen dann bereits Rückstellungen für mögliche Nachzahlungen bilden müssen, ist unter Juristen und Wirtschaftsprüfern umstritten. Denn das Ergebnis des Verfahrens, das mehrere Jahre dauern kann, ist völlig offen. Klar ist aber, dass bei einem Wegfall der Ausnahmeregelungen die Energiekosten für die Unternehmen steigen. Der Chemieriese BASF hatte im November berechnet, dass dann die jährlichen Mehrkosten allein am Stammsitz Ludwigshafen bei mehr als 300 Millionen Euro liegen dürften. Am Freitag betonte eine Sprecherin des Konzerns, dass BASF nur zu einem sehr geringen Teil von den Ausnahmen Gebrauch mache. Ein Großteil des benötigten Stroms werde in eigenen Kraftwerken erzeugt.

Die EU-Kommission hält es für zweifelhaft, dass die Rabatte für die Industrie mit den Regeln des Binnenmarktes im Einklang stehen, wie es in Almunias Schreiben heißt. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Ziele für diese Befreiung von der Umlage zu nennen, die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verankert ist. Es müsse gezeigt werden, dass die Hilfen insgesamt angemessen, die Wettbewerbsverzerrungen beschränkt und die Regeln so letztlich für den Handel in der EU positiv seien. Die voraussichtlichen Koalitionspartner Union und SPD hatten angesichts des drohenden Beihilfeverfahrens bereits angekündigt, die Rabatt-Regeln zu überprüfen. Senkt die EU-Kommission am Ende den Daumen, müssen die Ausnahmen gestrichen werden. Allerdings könnten die Firmen oder die Regierung eine solche Entscheidung auch vor dem Europäischen Gerichtshof anfechten.

Die Stahlindustrie widerspricht Almunias Argumentation. "Wir sehen in den bestehenden Entlastungen keine Beihilfen", erklärt Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. "Die deutsche Regelung dient lediglich dazu, Verzerrungen im internationalen Wettbewerb abzumildern." Die deutsche Stahlbranche hatte ausgerechnet, dass die Höhe der Nachzahlungen für die vergangenen drei Jahre 1,2 Milliarden Euro betrage.

Doch nicht nur die Rabatte, auch die Produktionshilfen für die Erneuerbaren Energien selbst werden von der Kommission als unerlaubte Staatsbeihilfe gewertet. Im Kern geht es dabei um die auf Jahre garantierten Abnahmepreise für Ökostrom. Almunia räumt ein, dass die Behörde 2002 das EEG bereits überprüft und für unbedenklich erklärt habe. Seitdem habe es jedoch eine Reihe von Änderungen gegeben, die den Staatseinfluss auf das Fördersystem deutlich gemacht hätten. Die Umlage der Kosten auf die Verbraucher über den Strompreis werde nun auch als staatliche Beihilfe für die Ökostrom-Anbieter gewertet. Union und SPD wollen das Fördersystem reformieren und die Abnahme des Ökostroms stärker am Marktpreis ausrichten.

Der Streit ist ein klassischer Interessenskonflikt von Zentralisten: Die Ökostrom-Förderung in der Form des EEG war Unsinn, weil sie alle möglichen Glücksritter auf den Plan gerufen hat - deren einziges Geschäftsmodell das Abkassieren von staatlichen Förderungen war.

Der Eingriff der EU-Kommission dagegen zeigt, dass wesentliche Teile der deutschen Politik nicht mehr in Deutschland gemacht werden.

Sondern in Brüssel - wo aber nicht demokratisch legitimierte Organe die Interessen der Bürger vertreten, sondern ohne jede Transparenz Gesetze nach dem Gutdünken der Lobbyisten und ihrer Vasallen gemacht werden.

Die Kombination dieser beiden Faktoren führt zum energiepolitischen Blackout.

Der Streit wird in einem faulen Kompromiss gelöst werden, der hunderte Beamte und Juristen auf Steuerkosten jahrelang beschäftigen wird.

Reine Energie-Verschwendung.

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