Politik

Feudalismus: Investment-Banker werden US-Diplomaten

Um für die USA Botschafter in einem attraktiven Land werden zu können, muss man reich sein. Denn der Staat ist pleite und kann sich die aufwändigen Repräsentations-Kosten nicht mehr leisten. Immer mehr Investment-Banker gelangen auf diesem Wege in die Politik - und finanzieren die US-Außenpolitik auf diskrete Weise.
01.01.2013 03:29
Lesezeit: 2 min

Peer Steinbrück hat neulich mit seiner Forderung nach einem höheren Gehalt für den Bundeskanzler einen wunden Punkt getroffen. Jenseits der Neiddebatte zeigt sich nämlich: weil die Staaten des Westens im Kern alle pleite sind, können sie sich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Geschäfte kaum noch leisten. Daher findet eine stille Privatisierung statt. Wir sich am Beispiel der USA zeigt, führt dies zu einer ganz neuen Art der feudalistischen Eliten-Bildung.

Wenn man in den USA einen lukrativen Botschaftsposten erhalten will, ist es äußerst hilfreich, einflussreichen Politikern viel Geld zukommen zu lassen. Präsident Barack Obama etwa zieht derzeit in Erwägung, Anna Wintour, die Chefredakteurin des Magazins Vogue, als Botschafterin ins Vereinigte Königreich zu schicken, berichtet Business Week. Sie hatte Obamas Wahlkampf nicht nur mit 500.000 Dollar unterstützt, sondern außerdem die Modelinie „Runway to win“ (Laufsteg zum Sieg) ins Leben gerufen, mit deren Hilfe 40 Millionen Dollar für Obamas Wahlkampf eingesammelt wurden.

Während zwei Drittel der US-Botschafter eine Karriere im diplomatischen Dienst durchgemacht haben, wird etwa ein Drittel der amerikanischen Botschafter aufgrund diskreter Bestechung politischer Dienste ausgewählt. Meist handelt es sich dabei wie im Fall von Anna Wintour um großzügige Wahlkampfunterstützung.

Um Botschafter in einem reichen Land zu werden, muss man sehr wohlhabend sein. Denn einerseits benötigt man viel Geld, um über Wahlkampfhilfen und ähnliches überhaupt an den Job zu kommen. Und andererseits hat man als Botschafter beträchtliche laufende Kosten, da die staatlichen Mittel allein nicht genügen, um die hohen Kosten der regelmäßigen Partys und Abendessen zu decken. Denn von einem Botschafter wird erwartet, dass er für die entsprechenden Kosten von zum Teil mehr als einer Million Dollar pro Jahr aufkommt.

Deshalb werden in beliebten Ländern wie Frankreich oder Italien meist wohlhabende Spender Botschafter und keine Karriere-Diplomaten. Louis Susman, der aktuelle US-Botschafter im Vereinigten Königreich, war früher Investment-Banker. „Politische Botschafter haben mehr Ressourcen und können etwas großzügiger für Unterhaltung sorgen“, zitiert Business Week Mel Sembler, Botschafter in Australien unter George H.W. Bush und in Italien unter George W. Bush. „Wir haben mehr ausgegeben, als unser Haushalt hergab, weil wir auf diese Weise für Unterhaltung sorgen“, so Sembler.

Auch der US-Botschafter in Berlin hat eine entsprechende Vergangenheit: Passend zur Euro-Krise kommt er von Goldman Sachs (hier).

Im Austausch für reichliche Spendengelder und die großzügige Botschaftsunterhaltung haben die USA aber auch einiges zu bieten. Zum einen gibt es den prestigeträchtigen Botschaftertitel. Zum anderen leben die Botschafter vor allem in Europa in wahren Palästen, wie im Londoner Winfield House. Es verfügt über 5 Hektar Privatgärten, so viel hat in England sonst nur der Buckingham Palast.

Und dem amerikanischen Botschafter in Italien steht ein Weinkeller mit 5.000 Flaschen Wein in der Villa Taverna in Rom zur Verfügung, berichtet Business Week. Außerdem werden in den amerikanischen Botschaften über ein spezielles Programm des US-Außenministeriums Kunstwerke aus den großen amerikanischen Museen ausgestellt.

Vogue-Chefin Anna Wintours Konkurrent bei der Ernennung zum Botschafter im Vereinigten Königreich ist Barack Obamas langjähriger Unterstützer und Mitarbeiter Matthew Barzun. Doch Wintour soll auch an der Botschaft in Paris Interesse bekundet haben. Dort müsste sie sich gegen den milliardenschweren Hedge-Fund-Manager Marc Lasry durchsetzen, der den amerikanischen Präsidenten allein im Jahr 2012 mit mehr als 200.000 Dollar unterstützt hat.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
USA
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Exporte überraschen - Fokus auf die USA
09.05.2025

Trotz des anhaltenden Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten sind Chinas Exporte überraschend robust geblieben. Der Außenhandel mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Reiche fordert den Ausbau von Gaskraftwerken in Deutschland
09.05.2025

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche setzt auf einen schnellen Ausbau von Gaskraftwerken in Deutschland. Die Gründe dafür...

DWN
Politik
Politik Putins Parade: Moskau feiert "Tag des Sieges" – Europas Spaltung auf dem Roten Platz sichtbar
09.05.2025

Während Putin mit Pomp den „Tag des Sieges“ feiert, marschieren zwei europäische Regierungschefs an seiner Seite – trotz Warnungen...

DWN
Panorama
Panorama Der stille Anti-Trump? Internationale Reaktionen auf Papst Leo XIV.
09.05.2025

Mit der Wahl von Robert Francis Prevost zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche übernimmt erstmals ein Amerikaner das Papstamt. Welche...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie nach Dividendenabschlag im Minus – Chance für Anleger?
09.05.2025

Die Allianz-Aktie zählt 2025 zu den Top-Performern im DAX – doch am Freitagmorgen sorgt ein deutlicher Kursrückgang für Stirnrunzeln...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch zur Eröffnung am Freitag
09.05.2025

Zum Handelsbeginn am Freitag hat der DAX ein frisches DAX-Rekordhoch erreicht. Die im April gestartete Erholungswelle nach dem ersten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Insolvenzen in Deutschland steigen nur noch geringfügig an - ist das die Trendwende?
09.05.2025

Der Anstieg der Insolvenzen in Deutschland hat sich im April deutlich verlangsamt. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Monatsvergleich...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie profitiert von starkem Jahresauftakt - und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag leicht zugelegt. Das deutsche Geldhaus überraschte mit einem...