In den kommenden Tagen entscheidet sich eine seit Jahrzehnten offene Umwelt-Frage. In Brüssel könnte nämlich endlich ein Verbot für den sogenannten „Rückwurf“ von Beifang-Fischen beschlossen werden. Unmengen von gefangenen Fischen werden bislang sofort nach dem Einholen der Netze wieder zurück ins Meer geworfen. Die meisten davon sind bereits tot oder halb verendet. Umweltorganisationen sprechen davon, dass der als Abfall zurückgeworfene Beifang rund ein Viertel des gesamten EU-Fischfangs ausmacht, jährlich 1,7 Millionen Tonnen Fisch.
Diese Woche verhandeln die Agrarminister der Mitgliedsstaaten eine gemeinsame Haltung zu einem möglichen Verbot aus. Diese könnte entscheidend für den endgültigen Beschluss werden, der dann von Rat, dem Europäischem Parlament (EP) und der EU-Kommission gemeinsam ausgearbeitet wird. Zumindest das EP hat sich bereits mehrheitlich für das Verbot ausgesprochen.
Es ist die letzte Etappe in den seit mehr als zwei Jahren andauernden Verhandlungen. Die Gegner des Beifang-Verbots – unter anderem Spanien, Frankreich, Portugal und die Interessenvertreter der großstrukturierten Fischerei-Industrie – werden wohl nochmal alles versuchen, um die lange überfällige Reform zu blockieren. Bisher war die Lobby der Fisch-Industrie zu mächtig für die Befürworter des Beifang-Verbots.
Doch der öffentliche Druck steigt. Europaweit haben sich bereits 850.000 Menschen der FishFight-Kampagne angeschlossen, die sich dem Kampf gegen Überfischung und Beifang-Rückwurf verschrieben hat. „Wir brauchen ein starkes Rückwurfverbot und die einklagbare Verpflichtung, die Fischbestände auf ein nachhaltiges Niveau zu bringen. Jeder vernünftige Mensch sieht doch, dass die Verschwendung von jährlich einer halben Million Tonnen feinsten Speisefisches einfach nicht akzeptabel ist“, sagte Hugh Fearnley-Whittingstall, Initiator der Initiative, dem Guardian.
Ein Hauptgrund für das Wegwerfen des Beifangs ist die von der EU vorgegebene Fangquotenregelung. Die Regelung erschwert vielen klein- und mittelständischen Fischern das Leben. Zu einem Erhalt der Fischbestände hat er nicht beigetragen. Denn die großen Fischereiunternehmen finden Wege, sich über die Quotierung hinwegzusetzen. Da wird ein reger Handel mit den Fangrechten betrieben und schon mal unter der Flagge eines anderen Staates gefischt, wenn man dadurch die Länderquoten umgehen kann. „Die Franzosen und Spanier haben über die Jahre gelernt, von diesem verrückten System zu profitieren, aber jetzt ist damit Schluss. Ihr falscher Aufruf zu Kompromissen und Blockade-Drohungen sind einfach keine Option“, so der Fisch-Schützer Fearnley-Whittingstall.
Wer die Regeln bestimmt und welche Interessen dabei am meisten Einfluss genießen, ist schwer nachvollziehbar. Die Quoten werden von Brüssel zugeteilt, aber von den Einzelstaaten auf ihre Einhaltung kontrolliert. Diese haben vor allem Interesse daran, ihre Fischindustrie zu fördern. Das Resultat ist die zu beobachtende Überfischung. In ihrem Grünbuch 2009 stellte sogar die EU-Kommission selbst fest, dass knapp neunzig Prozent der Bestände in EU-Gewässern übernutzt sind.
Bislang werfen Fischer jene Arten wieder ins Meer zurück, für die sie keine Quote besitzen. Stattdessen ist in den Lagerräumen der Riesen-Trawler mehr Platz für die gewinnbringenden Fische, deren Fangberechtigung möglichst ausgeschöpft wird. Auch werden oft kleinere Exemplare zurückgeworfen wenn die Quote bereits erreicht wurde.
Das Rückwurf-Verbot würde die Fisch-Flotten dazu zwingen, ihren gesamten Fang an Land zu bringen. Umweltverbände erhoffen sich dadurch eine Erholung der schwindenden Fischbestände in den EU-Gewässern.
Damit hätte nicht nur die kleinstrukturierte Fischerei eine Überlebenschance. Auch der Konsument an der Fischtheke würde von einer höheren Vielfalt profitieren. Ein Rückwurf-Verbot wäre ein erster Schritt. Was jedoch wirklich ansteht, ist das Ende der wahnwitzigen Quoten-Regelung.
Würde man die Fischerei endlich wieder als Möglichkeit zur Lebensmittel-Gewinnung und nicht ausschließlich als Profit-Industrie sehen, könnten absurde Vorschläge wie jener der UN, die Menschen mögen doch auf Insekten als Lebensmittel umsteigen, unterbleiben (mehr zu dieser Idee - hier).