Er gilt als der schönste Priester aller Zeiten: Der Vatikan-Kenner Colm Toibin hat über Monsignore aus Baden-Württemberg einmal geschrieben: „Gänswein ist bemerkenswert gutaussehend, eine Mischung von George Clooney und Hugh Grant, aber auf eine Weise schöner als jeder der beiden einzeln.“
Gänswein wird nun mit dem Papst aus dem Vatikan ausziehen – und mit ihm gemeinsam in seine neue Wohnung einziehen.
Bemerkenswerterweise wird Gänswein dem Ex-Papst dienen und gleichzeitig dessen Nachfolger. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi gab bekannt, dass Gänswein mit Joseph Ratzinger in dessen neue Wohnung in einem vatikanischen Kloster ziehen wird und dann täglich in den Vatikan gehen wird, um als Chef des Haushalts des neuen Papstes zu arbeiten. Als Lombardi bei der Pressekonferenz gefragt wurde, ob es hier nicht einen Interessenskonflikt gäbe, geriet Lombardi sichtlich in die Defensive und sagte, die Entscheidungen seien wohl überlegt gewesen: „Ich glaube, man hat das genau durchdacht.“
Die Entscheidung, dass der engste Mitarbeiter des neuen Papstes quasi jeden Abend zum Abendessen nach Hause kommt, und dort sitzt dann – wie anderswo die Ehefrau – der Ex-Papst, und man redet nur über Fußball und den aktuellen TV-Krimi, mutet den Vatikan-Beobachtern doch etwas seltsam an.
Zumal Joseph Ratzinger auch nicht zu seinem Namen zurückkehren wird. Der Papst hat verfügt, dass er weiter „Seine Heiligkeit, Benedikt XVI.“ genannt werden möchte. Auch wird der Papst nicht zu der für Priestern üblichen schwarzen Soutane zurückkehren, sondern weiter im weißen Ornat auf- und abmarschieren. Das einzig, was sich ändern wird, sind die Schuhe: Der Papst lässt seine Prada-Schuhe im Vatikan zurück und bekommt braune, handgefertigte Schuhe.
Ein Papst, der sich wirklich aus dem Tagesgeschäft verabschiedet und nur dem asketischen Gebet widmet, sieht anders aus. Es ist durchaus vorstellbar, dass Ratzinger versuchen wird, ein Auge auf die Aktivitäten seines Nachfolgers zu werfen. Im Intrigen-Sumpf des Vatikan wird das Vorgehen des deutschen Papstes mit Argus-Augen beobachtet. Insbesondere fragen sich einige, welche Themen der Papst unter Umständen weiter aktiv beeinflussen möchte.
Ratzinger war zurückgetreten, weil ihm die Intrigen im Vatikan auf die Nerven gingen, und weil er auch selbst unter Druck geraten war: Der immer noch ungelöste Finanz-Skandal (hier) und eine beispiellose Serie von Sex-Affären (hier) und Fällen von Kindesmisshandlungen hatten seine Amtszeit überschatte.
Die Doppelrolle seines Sekretärs ist in jedem Fall dazu geeignet, Spekulationen anzuheizen: Über die Rolle, die Benedikt XVI. weiter im Vatikan spielen will – und über die wahren Gründe seines Rücktritts.
In einem Buch hat Angelo Quattrochi das außergewöhnliche Verhältnis von Gänswein zu Ratzinger beschrieben. Gänswein war nach eignenen Angaben praktisch rund um die Uhr mit dem Papst zusammen. Gänswein hatte dem Autor erzählt: „Die Tatsache, dass wir uns jeden Tag treffen, erzeugt eine gewisse familiäre Atmosphäre. Man ist weniger nervös. Aber natürlich weiß ich, wer der Heilige Vater ist und so weiß ich, dass ich mich ordentlich zu benehmen habe. Aber es gibt immer wieder einige Situationen, in denen das Herz etwas heftiger klopft als gewöhnlich.“