Am Samstag gehen die Isländer zur Wahlurne und es sieht danach aus, als würden die Anti-EU-Parteien als klare Sieger hervorgehen. Island wird gern als erfolgreiches Beispiel für die Überwindung der Schuldenkrise herangezogen. Aber der Blick ins Land zeigt die schwere Last der Bevölkerung. Und genau diese Last, die viel mit der hohen Verschuldung der Bürger zusammenhängt, schürt den Widerstand gegen die aktuelle Regierung. Diese will näher an die EU, doch die Bevölkerung rechnet dann mit noch größeren Einschnitten.
Die isländische Regierung ließ in Folge der Finanzkrise 2008 die maroden Banken pleitegehen. Man setzte auf Inflation und vermied eine Zwangsabgabe der Bankkunden. Ein Weg, der von außen betrachtet, zum Erfolg führte. 2011 konnte Island ein Wachstum von immerhin 2,9 Prozent vorweisen und im vergangenen Jahr waren es noch 1,6 Prozent. Zahlen, von denen die meisten europäischen Länder derzeit nur träumen. Doch in Island selbst ist die Bevölkerung derzeit alles andere als zufrieden.
Die Bevölkerung leidet massiv unter der Währungsabwertung. Die Krone fiel um 50 Prozent, die Kaufkraft verringerte sich um 30 bis 40 Prozent. „Das rosige Bild, das von Island gemalt wird, ist nicht richtig“, zitiert die FT Arni Pall Arnason, den Leiter der der regierenden Sozialdemokraten. „Wir haben wirtschaftliche Schwierigkeiten, die aus dem Abfall der Währung entstanden sind.“
Doch nicht nur die Kaufkraft ist ein Problem für die Bevölkerung. Noch viel bedrohlicher ist es die hohe pro-Kopf-Verschuldung. Diese liegt bei enormen 322 Prozent des verfügbaren Einkommens (hier). In Island gab es vor der Krise 2008 so gut wie keinen Mietmarkt. Der Erwerb von Immobilien schon im jungen Alter hat, ähnlich wie in den Niederlanden, Tradition. Und der große Finanzsektor machte es besonders einfach, an günstige Hypotheken zu kommen.
Doch die Mehrheit der Hypotheken in Island ist an die Inflation gebunden. Während die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren um mehr als 20 Prozent gefallen sind, stiegen jedoch die Hypotheken aufgrund der massiven Inflation. Der Preis eines über Hypotheken gekauften Hauses steht heute in keinem Verhältnis mehr zu den Hypothekenschulden. Der IWF warnte bereits davor, dass vergebene Hypotheken im Wert von 380 Milliarden Euro schon jetzt im Risiko stehen – Kreditausfällle drohen.
Genau an diesem Punkt setzt die Fortschritts-Partei um Sigmundur David Gunnlaugsson an. Im Wahlkampf versprach seine Partei beispielsweise, die Hypothekenschulden der Isländer um 20 Prozent zu reduzieren. Finanzieren will er das über die Gewährten Finanzmittel der ausländischen Gläubiger. Und Gunnlaugssons Partei ist es auch, die Island im Gegensatz zur Regierungspartei gegenüber der EU weiter abschotten will. „Was uns die wirtschaftliche Krise in Island und Europa gelehrt hat, ist, wie wichtig es ist, dass man sein eigenes Schicksal in die Hand nehmen kann“, sagte Gunnlaugsson dem WSJ. Dass genau diese Partei das Land erst unter anderem durch die Deregulierung des Finanzmarktes in die Krise führte, scheint vergessen.
Die Annäherung der derzeitigen isländischen Regierung an die EU ist in dieser wirtschaftlich schwierigen Lage vielen Isländern ein Dorn im Auge. Schließlich geht es den EU-Ländern nicht besser. Und was noch schwerer wiegt, ist die zunehmende Machtausweitung Brüssels. Die vielen, diffusen Regulierungen könnten Islands Unternehmen einschränken. Und die Zwangsabgabe in Zypern war nur ein weiterer Eingriff Brüssels in die nationale Souveränität eines Mitgliedsstaates.
Und doch zeigt der Fall Island, dass nicht die Währung Euro der Fluch vieler Euro-Länder derzeit ist. Sondern die Schuldenkrise an sich ist das Problem. Obwohl die Isländer in der Lage waren, ihre eigenen Währung abzuwerten, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, steckt das Land in einer tiefen Krise. Das Schuldenproblem existiert weiterhin, die Bürger müssen zahlen.
Island hat zwar einen radikalen Schnitt bei seinen Banken gemacht.
Doch die Folgen der Exzesse müssen Generationen tragen.
Die Lektion, die Island bitter gelernt hat, steht den Euro-Schuldenstaaten noch bevor.