Detroit ist pleite. Jahrzehntelang haben die lokalen Politiker - so wie die meisten Politiker auf der ganzen Welt - verantwortungslos Schulden gemacht.
Nun ist Zahltag.
Und der sieht in Detroit vor allem für die Bürger düster aus.
Erstmals kann man in Detroit beobachten, was passiert, wenn eine Stadt ins fiskalische Chaos stürzt.
Was für Detroit gilt, gilt für alle Kommunen in den USA.
Und was in den USA als Blaupause nun exekutiert wird, wird das Vorbild für Staatspleiten und den Pleiten von öffentlichen Einrichtungen sein.
Weltweit.
Die Banken haben die Vorkehrungen für den Crash getroffen.
In Detroit wird der Ernstfall durchgespielt.
Die beiden größten Gläubiger-Banken der Stadt, die Bank of America und die UBS, haben bevorzugten Gläubiger-Status erhalten. Dies ist weniger auf die Gier der Banken zurückzuführen, als auf die Panik, die im System herrscht: Alle US-Kommunen sind massiv verschuldet. New York und Chicago könnten die nächsten sein.
Daher setzt man an Wall Street und in der Politik alles daran, eine Panik zu verhindern: Wenn sich nämlich herausstellt, dass die Banken bei einer Pleite komplett rasiert werden, bricht das kollektive Schulden-Machen System der öffentlichen Finanzen zusammen.
Verlierer der Insolvenz von Detroit werden all jene sein, die auf staatliche Transfer-Leistungen angewiesen sind – vor allem die ehemaligen Beschäftigten der Stadt, denen die Renten gekürzt werden. Einige Großinvestoren werden mit dem noch übrigen Vermögen der Stadt ausgezahlt. Die bisher größte Insolvenz einer US-Stadt könnte als Präzedenzfall für andere Städte und ganze Staaten dienen.
Bis Mitte November entscheidet ein Gericht in Detroit darüber, ob die Insolvenz rechtmäßig ist. Die Stadt muss nachweisen, dass sie versucht hat, mit den Schuldnern eine Einigung zu finden und dabei gescheitert ist, berichtet Bloomberg. Ist die Stadt vor Gericht erfolgreich, kann sie die Renten ihrer früheren Angestellten kürzen, was sonst der Verfassung von Michigan widersprechen würde.
Es wird erwartet, dass Richter Steven Rhodes die Insolvenz zulassen wird, berichtet WSWS. Zwangsverwalter Kevyn Orr wird dann die Renten- und Krankenversicherung von mehr als 20.000 ehemaligen Beschäftigten der Stadt massiv beschneiden.
Der Zwangsverwalter wird möglichst viel städtisches Vermögen verkaufen, um die Banken und Investoren zu bezahlen, bei denen die politisch Verantwortlichen von Detroit Schulden in Höhe von 20 Milliarden Dollar machten (hier). Das sind knapp 30.000 Dollar Schulden pro Einwohner.
Der berühmte Stadtpark Belle Isle soll etwa 370 Millionen Dollar wert sein. Die 60.000 Kunstwerke in der Sammlung des Detroit Institute of Arts, darunter Meisterwerke von Caravaggio, Rivera, Bruegel und van Gogh, könnten 10 bis 20 Milliarden Dollar einbringen. Auch das Wasser- und Klärwerk von Detroit kann zu viel Geld gemacht werden.
Die Gewerkschaften sind dafür, dass die Stadt Vermögen verkauft, statt die Insolvenz zu erklären. Sie wären auch zu Zugeständnissen bei Löhnen und Zusatzleistungen bereit. Ihnen ist wichtig dabei aber, dass sie die Kontrolle über die milliardenschweren Rentenfonds behalten, die für sie zu einer wichtigen Einkommensquelle geworden sind.
Mehr als ein Jahr bevor Detroit sich insolvent erklärte, soll die Insolvenz hinter den Kulissen vorbereitet worden sein, so der Investment-Banker Kenneth Buckfire, der die Schulden der Stadt umstrukturieren sollte. Er habe bereits im April 2012 E-Mails von Anwälten des Bundesstaates Michigan erhalten, in denen diese Detroits Insolvenz vorschlugen.
Rentner-Organisationen hatten die Ansicht vertreten, dass der Insolvenzantrag gegen die Verfassung verstößt, weil er die Souveränität von Michigan und das Recht der Bevölkerung verletze, „das Handeln ihrer gewählten und ernannten Vertreter zu definieren und zu kontrollieren.“ Doch ihre Erfolgsaussichten sind gering. Denn der vom Volk gewählte Gouverneur Rick Snyder selbst hatte die Insolvenz angestoßen.
Snyders Gegner im letzten Wahlkampf, Virg Bernero, hatte eine andere Lösung des Schulden-Problems vorgeschlagen: eine staatliche Bank. Diese müsste sich kein Geld borgen, sondern könnte dem Staat und den Gemeinden beliebig viel Geld borgen. Diese müssten sich dann weder über hohe Zinsen noch über die Rückzahlung der Schulden Sorgen machen. Lansing sagte:
„Hunderte Projekte, die Arbeit schaffen würden, müssen warten, weil die Betriebe und Unternehmer keine Banken-Finanzierung bekommen können. Wir können die Kreditklemme brechen und Wall Street in deren eigenem Spiel besiegen, indem wir unser Geld hier in Michigan behalten und es investieren, um unsere Wirtschaft umzurüsten und Arbeitsplätze zu schaffen.“
Zwangsverwalter Orr hat den Swap-Derivaten Vorzug eingeräumt gegenüber anderen Ansprüchen, berichtet Bloomberg. Bei den Derivaten, die versichert sind, gibt es lediglich einen Schuldenschnitt von bis zu 25 Prozent. Die anderen Gläubiger, das heißt die Rentner, müssen weit größere Verluste hinnehmen.
Swap-Derivate sind Zinswetten, die von den Wall-Street-Banken an Detroit und andere Städte verkauft wurden. Auch deutsche Städte haben sich bei den Derivaten von den Banken über den Tisch ziehen lassen und massive Verluste gemacht (mehr hier). Die Stadt Bonn musste erst kürzlich eine Haushalts-Sperre verhängen, um den Kollaps zu verhindern (hier).
Hier wird die Sache freilich besonders unangenehm: Denn die Banken haben die öffentlichen Haushalte nicht bloß in die Zinswetten hineingetrieben. Sie haben zugleich die Zinsen selbst manipuliert, wie im Libor-Skandal klar wurde (mehr hier).
Dies bedeutet: Selbst wenn eine Stadt einen richtig komptenten Kämmerer gehabt hätte, der etwas von den Zins-Wetten versteht, er hätte keine Chance gehabt, die Risiken richtig zu bewerten: Denn die Zinsen, die Grundlage der Wette, wurden weltweit manipuliert.
Für die Bürger von Detroit kommt diese Erkenntnis zu spät.
Für alle Schulden-Politiker auf der Welt sollten die Ereignisse in Detroit ein Menetekel sein.
Wenn ihnen der Ausstieg nicht rechtzeitig gelingt, wird es ihnen ebenso ergehen.