Eine bulgarische Bande hat eine attraktive Lücke im Sozialsystem der Niederlande entdeckt und das Land um knapp 100 Millionen Euro erleichtert. Das Geld kommt vom niederländischen Steuerzahler.
Der Skandal wurde durch die niederländische Sendung Brandpunt bekannt. Der Sender enthüllte, dass bulgarische Kriminelle den niederländischen Staat fünf Jahre lang um Sozialhilfe-Zahlungen betrogen hatten.
Die Bulgaren folgten einer Geschäftsidee, die sie offenbar von den internationalen Finanzmärkten gelernt hatten: In einem konsequenten Schneeball-System nahmen sie den einen das Geld weg, um es an andere zu verteilen.
Das Konzept war denkbar einfach, die Umsetzung offenbar auch.
Die Anführer der Bande rekrutierten einfache Dorfbewohner in Bulgarien. Diese schickten sie in die Niederlande, wo Bulgaren seit dem EU-Beitritt ihres Landes 2007 das Anrecht auf eine Aufenthaltsgenehmigung haben.
Sobald die Bulgaren in den Niederlanden waren, registrierten sie sich bei den Behörden. Als Wohnort gaben sie Wohnungen an, die von Komplizen für sie gemietet wurden. Dann beantragten sie Unterstützung für Miete und Kinder. Sie eröffneten Bankkonten in den Niederlanden, auf die die Sozialhilfen überwiesen wurden. Dann kehrten sie nach Bulgarien zurück. Dort konnten sie das Geld der niederländischen Steuerzahler aus dem Bankautomaten ziehen. Einen Teil des Geldes bekamen die Bandenführer.
Der Betrug kam nur dadurch ans Licht, weil sich einige Dorfbewohner bei der bulgarischen Polizei beschwerten: Sie hätten nicht die Zahlungen erhalten, die ihnen von der Bande versprochen worden seien. Den niederländischen Behörden war der Betrug nicht aufgefallen.
Der Sozialbetrug war durch eine Gesetzesänderung im Jahr 2006 überhaupt erst möglich gemacht worden. Das Parlament hatte ein neues System eingeführt. Danach wurden den Antragstellern ihre Sozialbezüge im Voraus bezahlt. Ob sie Anspruch haben, sollte erst im Nachhinein überprüft werden. So sollte das niederländische Sozialsystem benutzerfreundlicher werden.
Frans Weekers, der stellvertretende Finanzminister der Niederlande, unterrichtete das Parlament über 280 Fälle von Sozialbetrug im großen Maßstab. Mindestens 16,6 Millionen Euro sind durch diese Betrugsfälle verloren, berichtet Trouw. Weekers hält sogar Verluste von 95 Millionen Euro für möglich. Doch der Minister sagte, die Steuerbehörde habe nicht die nötigen Ressourcen, um das Problem zu bekämpfen. Schon jetzt verwende man dort 10 bis 15 Prozent der Zeit nur dafür, Fälle von Sozialbetrug zu ermitteln.
Der stellvertretende Finanzminister, Frans Weekers, geriet wegen der Affäre unter Beschuss. Pieter Omtzigt von den Christdemokraten sagte, es sei unerhört, dass Steuern erhöht würden und das Geld nicht für Arbeitslose und Erziehung ausgegeben werde, und es gleichzeitig ein Kinderspiel sei, den Staat zu betrügen.
Und selbst die Linken sind empört: Wouter Koolmees von der links-liberalen D66 Partei sagte, das Vertrauen in die EU werde zerstört, wenn Polen, Bulgaren und Rumänen derart unverfroren die Niederländer betrügen könnten.