In Deutschland werden Bauern als Grundeigentümer zusehends von institutionellen Investoren verdrängt. In einigen Regionen wurden bereits bis zu 30 Prozent der verfügbaren landwirtschaftlichen Flächen von diesen Kapitalgebern übernommen.
Das geht aus einer aktuellen Studie der Kleinbauernbewegung La Via Campesina und des Netzwerks „Hands-off the Land“ hervor. Anhand von elf europäischen Ländern schildern die Autoren darin, wie die traditionelle Landwirtschaft durch die Konzentration des Landbesitzes und die Investitionstätigkeit von Spekulanten bedroht wird. Die Landkonzentration sei heute auch in Europa mit den Dimensionen in Brasilien, Kolumbien oder den Philippinen vergleichbar.
Zwischen 1991 und 2012 hat sich die Zahl der Höfe mit mehr als fünf Hektar Land in Deutschland annähernd halbiert, von 541.000 auf 287.500. Und dass obwohl nach der Wende viele großflächige Agrar-Genossenschaften aus der ehemaligen DDR aufgeteilt wurden. Allein in den vergangenen fünf Jahren schlossen 34.100 landwirtschaftliche Betriebe. Heute arbeiten gerade einmal noch 1,6 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft.
Die Zahl der Betriebe mit mehr als 100 Hektar Boden hat hingegen über die vergangenen Jahre hinweg zugenommen. Der Prozess der fortschreitenden Land-Konzentration spielt dabei eine große Rolle: 11,7 Prozent der Betriebe halten heute 56 Prozent des gesamten landwirtschaftlich genutzten Bodens.
Als Folge stiegen die Boden-Preise in den letzten Jahren in ungeahnte Höhen. Kostete ein Hektar im Jahr 2005 durchschnittlich noch 8.692 Euro, waren es 2011 bereits 13.493 Euro – ein Anstieg von 55 Prozent innerhalb von sechs Jahren. In gewissen Regionen lag die Steigerung noch wesentlich höher.
Agrarexperte Roman Herre von FIAN Deutschland nennt in der Studie zwei Hauptgründe für diese Entwicklung: Einerseits das Vordringen kapitalstarker und oftmals branchenfremder Investoren, andererseits den durch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) geförderten Boom der Agro-Energie. Pflanzlicher Sprit und die Ausbreitung von Biogasanlagen sind seit Jahren preistreibende Faktoren.
Von den Folgen betroffen sind in erster Linie die klein- und mittelständischen Landwirte, die durch die exorbitant steigenden Kauf- und Pachtpreise zusehends unter Druck geraten. Die Wertschöpfung der landwirtschaftlichen Tätigkeit bleibt nicht mehr in der Region, sondern fließt zu den Investoren ab. Angebaut wird, was am meisten Profit verspricht. Dabei gehe es den neuen Eigentümern in erster Linie nicht einmal darum, die Biogasförderung einzustreifen. Bodenkauf gilt als steuerschonende Investition, weil die für den Bodenerwerb aufgenommenen Schulden mit Gewinnen aus der Hauptgesellschaft gegengerechnet werden können.
Obwohl das Phänomen „Land-Grabbing“ auch in Deutschland um sich greift, ist das Problem in den neueren EU-Mitgliedsstaaten in Osteuropa noch viel drastischer. In Rumänien, Ungarn oder Bulgarien geht es dabei oft um mehrere Tausend Hektar bei einem einzigen Geschäftsdeal. Das Kapital kommt meist nicht aus China oder den Golfstaaten, wie dies für andere Weltregionen gern mit Land-Grabbing verbunden wird. Die Investoren sind vielfach aus Europa, oft auch aus dem jeweiligen Land selbst. Die Geschäftspraktiken sind jedoch teilweise ebenso dubios, wie dies bei Boden-Deals in Afrika oder Südost-Asien der Fall ist.
Die Agrarföderungen der EU spielen dabei ebenfalls eine Hauptrolle. Besonders eklatant ist die Fehlentwicklung in Rumänien, wo etwa die Hälfte der Subventionen an gerade einmal ein Prozent der Betriebe geht (hier).