Die Wertpapierhändlerin Andrea Fuchs kämpft seit über 15 Jahren vor Gericht gegen die DZ Bank, ihren früheren Arbeitgeber. Hintergrund ist Insider-Handel im großen Stil, in den ihre Chefs bei der DZ Bank verwickelt waren. Fuchs widersprach ihren Chefs bei den illegalen Geschäften und wurde entlassen.
Das Dokumentationszentrum ansTageslicht.de schildert den beklemmenden Fall in seinen Details.
Im Jahr 1996 wurde Fuchs beauftragt, für einen Kunden ein Aktiengeschäft im Umfang von mehr als 400 Millionen D-Mark abzuwickeln. Der Kunde bestand darauf, dass im Vorfeld niemand von dem Aktiengeschäft erfährt. So sollten Verluste durch Insider-Handel ausgeschlossen werden.
Andrea Fuchs sicherte dem Kunden daher zu, dass das Aktiengeschäft von der DZ Bank vertraulich behandelt wird. Aufgrund des hohen Transaktions-Volumens musste sie allerdings ihre Chefs einweihen. Diese brachen die gesetzlich vorgeschriebene Vertraulichkeit, auf der der Kunde aus London bestanden hatte, und informierten die betroffene Aktiengesellschaft, welche wiederum ihre Großaktionäre unterrichtete.
Die Vorgesetzten von Fuchs handelten dabei nicht nur gegen das Interesse ihres Kunden, sondern auch gegen das Wertpapier-Gesetz. Nachdem das Verhalten der Banker bekannt wurde, wurden sie gegen geringe Bußgelder ausgesprochen. Das Aktiengeschäft, das Fuchs hatte organisieren wollen, platzte. Ihrer Bank gingen dadurch Provisionen in Millionenhöhe verloren.
Fuchs kritisierte wiederholt, dass ihre Vorgesetzten vertrauliche Informationen weitergegeben haben. Darüber kommt es zum Streit. Ihre Chefs machen nun sie für das geplatzte Geschäft verantwortlich. Die erfolgreiche Wertpapier-Händlerin wird plötzlich massiv gemobbt. In einem internen Dokument der damaligen DG Bank heißt es:
„Urlaub, bzw. freie Tage, und Geschäftsreisen sollen Frau Fuchs nicht mehr genehmigt werden. (…) Frau Fuchs soll mit trivialen Aufgaben betreut werden, um sie daran zu hindern, am normalen Geschäftsablauf teilnehmen zu können. (…) Der Kundenstamm von Frau Fuchs soll ihr peu à peu entzogen und auf andere Mitarbeiter verteilt werden. Dabei soll strikt darauf geachtet werden, dass man Frau Fuchs Fehler nachweist und diese mit angeblichen Kundenbeschwerden untermauert.“
Schließlich wird Fuchs gekündigt. Doch sie will sich nicht rauswerfen lassen. Denn sie hat sich kein Fehlverhalten vorzuwerfen, den Fehler haben ihre Vorgesetzten gemacht. Seit über 15 Jahren dauert die gerichtliche Auseinandersetzung mit ihrem Ex-Arbeitgeber nun an. Einen Job bei einer Bank wird sie wohl nicht wieder bekommen. Die Bank behauptet vor dem Arbeitsgericht, das interne Dokument sei eine Fälschung.
Am 29. April 2013 bestätigte ein Richter des Landesarbeitsgerichts ihre Kündigung seitens der DZ Bank. Grund dafür ist unter anderem ein Buch, das Fuchs über ihren Kampf gegen die Bank geschrieben hat. Da sie ihren früheren Arbeitgeber darin heftig angreift, sei die Kündigung rechtens, so das Gericht.
Andrea Fuchs klagt nun vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen das Urteil. Dort wird sie voraussichtlich Recht bekommen. Denn der EGMR betrachtete Whistle-Blowing in früheren Verfahren als ein Menschenrecht.
„Whistle-Blowing ist notwendig, denn Sie brauchen jemanden, der auf Missstände aufmerksam macht“, sagt Johannes Ludwig, Professor an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften mit dem Schwerpunkt Investigativem Journalismus, den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.
Viele Missstände können durch Whistle-Blowing vermieden werden. Weil Fehlverhalten an die Öffentlichkeit kommen und Konsequenzen haben kann, sind viele Unternehmen zur Anständigkeit gezwungen. Sie fürchten um den Image-Schaden, der sich negativ auf das Geschäft auswirken würde. Doch in vielen Fällen versagt dieser Kontroll-Mechanismus.
Denn Whistle-Blower haben es auch in Deutschland sehr schwer, sagt Ludwig. Dabei sollte man es ihnen leicht machen. Ihre Kritik könnte nämlich in vielen Fällen zu einer Verbesserung der Situation führen. Diese Leute hätten hohe ethische Ansprüche sowohl an sich selbst als auch an ihre Unternehmen.
Whistle-Blower müssen mit enormen negativen Konsequenzen rechnen, wenn sie Missstände in ihren Unternehmen oder Behörden aufdecken. Wie der frühere NSA-Mitarbeiter Edward Snowden planen sie das Whistle-Blowing daher meist sehr lange. „Auch mental muss man sich darauf vorbereiten, weil man viel aufgibt“, so Ludwig.
Sehr sinnvoll sei daher die Möglichkeit, Missstände anonym aufzuzeigen. In einigen Unternehmen gehöre dies bereits zum Management. Etwa bei Gustl Mollaths Entlassung aus der Psychiatrie leistete ein anonymer Whistle-Blower Unterstützung und machte entscheidende Dokumente öffentlich.
Auch die Enthüllungsplattform Wikileaks ermöglicht die anonyme Anzeige von Missständen. Bradley Manning, der bei Wikileaks Dokumente über Kriegsverbrechen der USA einreichte, wurde von den Behörden nur deshalb überführt, weil er mit Dritten über sein Whistle-Blowing kommunizierte. Ein US-Militärgericht hat ihn kürzlich zu einer Haftstrafe von 35 Jahren verurteilt (hier).
In den USA sieht NSA-Chef Keith Alexander in den Whistle-Blowern die eigentlichen Verbrecher. Er will daher auch Maßnahmen ergreifen, die die Pressefreiheit einschränken. Ähnliches droht die britische Regierung dem Guardian an, der die NSA-Dokumente veröffentlicht hat.
Johannes Ludwig will dem Thema Whistle-Blowing in Deutschland mehr Gehör verschaffen. Die Bekanntmachung von Missständen sei kein Denunziantentum. Denn Denunzianten handelten, um anderen zu schaden. Whistle-Blower wollen das System dagegen verbessern.
Andrea Fuchs hat in Deutschland kaum die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erhalten. Anders als Snowden hat Fuchs auf eine Inszenierung ihres Falls verzichtet.
Doch in der Sache ist ihre Aktion von noch größerer Bedeutung als der Auftritt Snowdens: Dass Geheimdienste schnüffeln, ist nicht ganz überraschend.
Fuchs hatte bis zuletzt versucht, ihren Hinweis, dass die Banken die Gesetze einhalten müssten, intern vorgetragen. Sie wurde abserviert.
Eigentlich wären Whistle-Blower gerade für die Banken ein Glücksfall: Wenn sie rechtzeitig auf Fehlentwicklungen aufmerksam machen, können am Ende Milliarden an Strafzahlungen vermieden werden. Über diese beklagt sich jetzt die Deutsche Bank, die in allen möglichen Manipulations-Verfahren gegen den Vorwurf des strukturellen Fehlverhaltens kämpfen muss (mehr dazu hier).
Doch für die Banken ist es meist lukrativer, Strafzahlungen in Kauf zu nehmen und mit fragwürdigen Geschäften weiter viel Geld zu verdienen.
Der Fall von Andrea Fuchs ist kein Einzelfall. Auch bei der Weltbank wurde eine Whistle-Blowerin aus dem Job gemobbt (mehr dazu hier).
Früher hieß es einmal: Macht kaputt, was Euch kaputt macht.
Die Banken haben diesen Spruch gründlich missverstanden.