Politik

Griechenland: Deutschland geht mit der Knute in Südeuropa herum

Das Bild von den bösen Deutschen scheint sich bei den Griechen immer stärker zu verfestigen. Ein ehemaliger Regierungssprecher schildert die Wahrnehmung Deutschlands als Zuchtmeister Europas. In Deutschland lebende Kinder von griechischen Einwanderern ziehen skurrile Vergleiche. Das Friedensprojekt EU bewegt sich auf Abwegen.
07.04.2013 01:06
Lesezeit: 2 min

Die Idee Europas droht in Griechenland verloren zu gehen,  sagte der ehemalige Sprecher der griechischen Regierung, Evangelos Antonaros, in einem Interview im DLF. Trotzdem glaube immer noch die Mehrheit der Griechen daran, dass „die Zukunft des Landes in Europa und in der Eurozone zu suchen ist“.

Zur Einschätzung Deutschlands in Griechenland sagte Antonaros:

Man hat den Eindruck, dass Deutschland sozusagen mit der Knute herumgeht und die Völker Südeuropas zu disziplinieren versucht. Es gibt Übertreibungen auf griechischer Seite, ganz bestimmt, und man sollte, glaube ich - das sage ich auch meinen griechischen Landsleuten immer wieder -, man sollte versuchen zu verstehen, aus welchem Grunde Deutschland sich so verhält und eine Ordnung, eine finanzpolitische Ordnung in Europa wünscht, wovon alle profitieren sollen. Auf der anderen Seite würde ich von Deutschland erwarten, von der deutschen politischen Führung erwarten, dass sie verständnisvoller mit den Sorgen der Griechen und anderer südeuropäischer Völker umgeht, dass man den politischen Einfluss und die wirtschaftliche Stärke, die Deutschland hat, vernünftiger und verständnisvoller einsetzt, damit wir alle in Europa davon profitieren können. In Griechenland hat man große Achtung vor dem, was Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg geleistet hat. Man sieht ein, dass Deutschland heutzutage eine führende politische Rolle in Europa innehat, nicht zuletzt weil auch andere Länder wie zum Beispiel Frankreich gegen große wirtschaftliche Probleme zu kämpfen haben. Aber gerade deshalb glaube ich, dass es Deutschland nicht nötig hat, so schulmeisterhaft gegenüber seinen Partnern im Süden aufzutreten.“

Die Aggression gegen Deutschland bekommen hierzulande auch schon die Kinder zu spüren. Eine Mutter berichtete den Deutschen Wirtschafts Nachrichten von einem Erlebnis, welches ihr zehnjähriger Sohn bei einer Sportveranstaltung hatte. Er war von zwei griechischen Jungs aus heiterem Himmel mit dem Vorwurf konfrontiert worden, dass Deutschland „wegen Hitler“ auch heute noch „bestraft“ werden müsse. Deutschland hätte die Verpflichtung, wegen der Nazi-Verbrechen für die anderen Völker Europas zu bezahlen.

Aussagen von Kindern sind naturgemäß immer mit Vorsicht zu genießen. Allerdings deutet dieser Zwischenfall darauf hin, dass in den Elternhäusern Klischees und Propaganda munter weiterverbreitet werden. Ob die Kinder dieser Einschätzung aus dem Geschichtsunterricht in der Schule mitbekommen haben, war nicht zu eruieren. Aber das Friedensprojekt EU scheint angesichts solcher Aussagen gehörig aus der Bahn geraten zu sein. Der Hass der Völker wird offenbar nun munter auf die nächste Generation übertragen.

Auch Francois Hollande hatte kürzlich mit einem historischen Hinweis aufhorchen lassen. Der französische Präsident deutete an, dass es bald wieder mehr Neo-Nazis geben werde, wenn die Sparpolitik fortgeführt werden würde (mehr hier). Genau wie Griechenland steckt auf Frankreich tief in der Rezession. Hollande versucht seine schlechte politische Bilanz der deutschen Krisenpolitik in die Schuhe zu schieben. Echte Sparmaßnahmen und Kürzungen hat er noch nicht vorgenommen.

Die Griechen bekommen hingegen den Schmerz der Reformen viel deutlicher zu spüren als die Franzosen (mehr hier). Die Renten wurden gekürzt und die Steuern mehrfach erhöht. Die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen liegt bei etwa 60 Prozent.

Lesen Sie auch:

VW und Klassenkampf: Die große Heuchler Sigmar Gabriel

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Exporte überraschen - Fokus auf die USA
09.05.2025

Trotz des anhaltenden Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten sind Chinas Exporte überraschend robust geblieben. Der Außenhandel mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Reiche fordert den Ausbau von Gaskraftwerken in Deutschland
09.05.2025

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche setzt auf einen schnellen Ausbau von Gaskraftwerken in Deutschland. Die Gründe dafür...

DWN
Politik
Politik Putins Parade: Moskau feiert "Tag des Sieges" – Europas Spaltung auf dem Roten Platz sichtbar
09.05.2025

Während Putin mit Pomp den „Tag des Sieges“ feiert, marschieren zwei europäische Regierungschefs an seiner Seite – trotz Warnungen...

DWN
Panorama
Panorama Der stille Anti-Trump? Internationale Reaktionen auf Papst Leo XIV.
09.05.2025

Mit der Wahl von Robert Francis Prevost zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche übernimmt erstmals ein Amerikaner das Papstamt. Welche...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie nach Dividendenabschlag im Minus – Chance für Anleger?
09.05.2025

Die Allianz-Aktie zählt 2025 zu den Top-Performern im DAX – doch am Freitagmorgen sorgt ein deutlicher Kursrückgang für Stirnrunzeln...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch zur Eröffnung am Freitag
09.05.2025

Zum Handelsbeginn am Freitag hat der DAX ein frisches DAX-Rekordhoch erreicht. Die im April gestartete Erholungswelle nach dem ersten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Insolvenzen in Deutschland steigen nur noch geringfügig an - ist das die Trendwende?
09.05.2025

Der Anstieg der Insolvenzen in Deutschland hat sich im April deutlich verlangsamt. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Monatsvergleich...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie profitiert von starkem Jahresauftakt - und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag leicht zugelegt. Das deutsche Geldhaus überraschte mit einem...