Deutschland

Störsender: Dieter Hildebrandt wurde beim ZDF zensuriert

Lesezeit: 3 min
05.04.2013 03:22
Mit seinem neuen Programm Störsender attackiert der Kabarettist Dieter Hildebrandt Angela Merkel, Peer Steinbrück, das politische System und die Öffentlich-Rechtlichen. Das ZDF hat Hildebrandt offenbar wegen eines kleinen Eingriffs des Zensors in sein Programm verlassen.
Störsender: Dieter Hildebrandt wurde beim ZDF zensuriert

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Der Kabarettist Dieter Hildebrandt und der Journalist Stefan Hanitzsch haben im Internet die Plattform Stoersender.tv gestartet, eine Verbindung aus investigativem Journalismus und Satire. In der ersten Folge zu Ostern wurden die Abgründe des Finanz-Kapitalismus thematisiert (mehr hier). Zwei Wochen später wird es um die Liberalisierung des Wassersektors in Europa gehen.

Die Kritik an der Macht der internationalen Finanzelite bei Stoersender.tv erinnert an den frühen Beppe Grillo, der bereits in den 90-er Jahren das Finanzsystem als Schneeball-System bezeichnete (mehr hier). Die Macher von Stoersender.tv haben allerdings keine politischen Ambitionen, sagte Stefan Hanitzsch den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

Gegen Peer Steinbrück

Kandidaten, die „einen neuen Wind reinbringen“, werde man allerdings unterstützen. Stoersender.tv wolle dazu beitragen, dass die deutsche Politik bürgernäher wird, sagt Hanitzsch. Man wolle die Deutschen zu friedlichem Engagement ermuntern durch Aufklärung und durch Störaktionen.

„Von den etablierten Parteien gibt es bei der Bürgerbeteiligung bisher nur Lippenbekenntnisse.“ Die Piraten-Partei sei teilweise auf dem richtigen Weg, da sie zumindest das Internet für den Bürgerkontakt nutze. Hanitzsch selbst ist noch immer Mitglied der SPD, hält diese jedoch spätestens seit Peer Steinbrück nicht mehr für eine sozialdemokratische Partei. Sie lasse kaum noch eine Beteiligung der Bürger am politischen Prozess zu.

Bundestag vertritt die Bürger nicht

Die einzige Partei, die im Bundestag Klartext rede, wenn es etwa um den ESM geht, sei die Linkspartei. Zwar distanziert sich Hanitzsch deutlich von der Linkspartei. Doch die Reden von Sarah Wagenknecht tun dem Parlament gut, sagt er. Parlament komme ja auch etymologisch von sprechen.

Hanitzsch ist überzeugter Parlamentarist und hat die Hoffnung auf Besserung nicht aufgegeben. Er kritisiert den Parteienstaat, zu dem Deutschland geworden sei. „Die Parteien sollen an der Willensbildung mitwirken und nicht allein bestimmen“, sagt er. Das aktuelle politische System, „der ungezügelte Kapitalismus“, sei degeneriert. Es mangle an Durchlässigkeit für Neues.

Im Bundestag erteilten die Parteien den Abweichlern unter den eigenen Abgeordneten einen Maulkorb. Die Abgeordneten könnten ihrer Aufgabe als Repräsentanten der Bürger kaum noch nachkommen, so Hanitzsch.

Für Demokratie, gegen Lobbyisten

Stoersender.tv streitet für mehr Demokratie und für eine andere Welt. Man wolle einerseits das aktuelle System stören, andererseits aber vor allem auch Alternativen aufzeigen, sagt Hanitzsch. „Wenn du die Welt verändern willst, dann gehe dreimal durch dein eigenes Haus“, zitiert er ein chinesisches Sprichwort. Beispielsweise die Lebensmittelversorgung in Deutschland liege fast vollständig in der Hand von fünf Konzernen, doch gebe es auch zahlreiche Projekte der regionalen Versorgung.

Für die Bundestagswahl hat Stoersender.tv verschiedene Aktionen geplant, die allerdings noch nicht verraten werden. Etwa mit Flashmobs wolle man den Lobbyismus angreifen. Es gebe in Deutschland etwa eine Lehrerlobby und eine Bankenlobby. Letztere hat aber offenkundig viel mehr Einfluss auf die Politik.

Stoersender.tv hat bereits mehr als 2.000 Abonnenten, die 66 Euro pro Jahr zahlen. Dafür können sie die Sendungen drei Tage früher und in HD sehen und im Forum aktiv werden. Wenn es um die 5.000 Abonnenten werden, kann sich das Online-Projekt über die geplanten 20 Sendungen hinaus weiter finanzieren, sagt Hanitzsch. Derzeit plane man auch ein Abo über soziales Engagement wie etwa durch die Betreuung älterer Menschen.

Mehr Freiheit ohne ARD und ZDF

Hildebrandt arbeitete über viele Jahre für die Öffentlich-Rechtlichen. Diese erfüllen prinzipiell auch eine wichtige Aufgabe, sagt Hanitzsch. Doch gebe es in der freien Wirtschaft viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten.

So wollte Hildebrandt etwa bei einer Sendung die Webseite Right to Water einblenden. Doch das ZDF habe das nicht erlaubt, sagt Hanitzsch. Man habe damals einen Trick anwenden müssen und einen Aufkleber von Right to Water so platziert, dass die Zuschauer ihn sehen konnten. Gleichzeitig gibt es durchaus Schleichwerbung bei den Öffentlich-Rechtlichen (mehr hier).

Merkel betreibt Ermächtigungs-Politik

Bundeskanzlerin Angela Merkel bekam in der ersten Sendung besonders viel Fett weg. Hanitzsch hält die Politik der Bundeskanzlerin für „hoch gefährlich“. Sie sei keine Demokratin und betreibe Ermächtigungspolitik an den nationalen Parlamenten vorbei. Sie sei eine Erfüllungsgehilfin von Goldman Sachs und der Deutschen Bank. „Man muss unterstellen, dass Merkel weiß, was sie tut“, sagt Hanitzsch.

„Wenn die Politik wirtschaftlich nicht mehr liefert, dann kann es gefährlich werden.“ Dies sehe man etwa in Griechenland oder in Frankreich, wo rechtsextreme Parteien an Boden gewonnen haben. Marine le Pen benutze die berechtigte Kritik am Finanzsystem für ihre eigene Agenda. Doch Hanitzsch will, dass demokratische Kräfte Kritik am Finanzsystem üben, um nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten.

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