Erstmals seit 600 Jahren ist es am Samstag zur Begegnung von zwei Päpsten der Katholischen Kirche gekommen. Der neue, Franziskus, besuchte den Papst i.R., Benedikt XVI. Über den Verlauf der Unterredung gab es offiziell keine Verlautbarungen.
Möglicherweise haben jedoch auch die Finanz-Skandale um die Vatikan-Bank eine Rolle gespielt: Joseph Ratzinger hatte Franziskus den Geheimbericht übergeben, den drei betagte Kardinäle über das Problem der Vatikan-Bank (IOR) verfasst hatten.
Ratzinger war wegen der Macht-Kämpfe in der Kurie und der Finanz-Skandale zurückgetreten (hier). Er hatte jedoch offensichtlich wenig Lust, das Problem wirklich anzupacken.
Sein Nachfolger muss nun den Bericht bewerten und Konsequenzen daraus ziehen. Es ist durchaus möglich, dass er radikalere Schnitte als sein Vorgänger setzen wird. Ratzinger hatte zwar versucht, mehr Transparenz in die Vatikan-Bank zu bringen, war jedoch am Widerstand der Kurie, insbesondere des Kardinal-Staatssekretärs Tarcisio Bertone, gescheitert.
Die Befürchtung von Hans Küng, Ratzinger könnte künftig als eine Art „Schattenpapst“ im Hintergrund die Fäden ziehen, ist allerdings unbegründet: Der Besuch war eine höfliche Geste eines höfliches Papstes, Denn anderes als Ratzinger, der aus der reichen Kirche Deutschlands kommt, hat Franziskus die Realität der Armut in Lateinamerika erlebt.
Der neue Papst aus Argentinien hat daher die Armut als Programm der Kirche postuliert. Er folgt damit ausdrücklich den Ideen des Radikal-Reformers Franz von Assisi (hier). Und er meint damit, anders als Ratzinger, der beispielsweise den Hermelin wieder aus der vatikanische Garderobe hervorgekramt hat: Die Kirche muss arm sein, damit sie die Armen versteht und wirkungsvoll beitragen kann, die Armut zu bekämpfen. Almosen allein reichen nicht, die lateinamerikanische Kirche steht auch für den strukturellen Wandel in politischen Systemen.
Denn die Kirche in Lateinamerika ist seit vielen Jahrzehnten mit dem Problem von Massenarmut konfrontiert. Der Theologe Leonardo Boff hat eine eigene Theologie daraus entwickelt, die sogenannte „Option der Armen“. Diese „Befreiungstheologie“ war von der Amtskirche stets mit Argusaugen beobachtet worden, In Rom stießen die meisten Aktivitäten auf schroffe Ablehnung. So hatte der nicaraguanische Priester Ernesto Cardenal permanent mit seinem Kirchen-Ausschluss zu kämpfen. Der Vorwurf des Vatikan gegen die Befreiungstheologie: Sie stehe dem Marxismus zu nahe.
Dies hat vor allem unter der Regentschaft von Johannes Paul II. als dem Papst aus Polen zu großen Spannungen geführt: Für Karol Wojtyla war der Kampf gegen den realen Kommunismus ein vorrangiges Ziel. Über die Vatikan-Bank wurden die Bürgerrechts-Bewegungen gestützt. Auch politische Organisationen wie die polnische Gewerkschaft Solidarnosc erhielt finanzielle Unterstützung aus Rom.
Für Jorge Bergoglio dagegen ist die Bekämpfung der Armut ein Thema jenseits der politischen Ideologie. Erstaunlicherweise hat ausgerechnet Boff dem neuen Papst ein gutes Zeugnis ausgestellt, was die Ernsthaftigkeit des Anliegens für Franziskus betrifft.
Dieser agiert zunächst mit starken symbolischen Gesten: Sein Ring ist ein gebrauchtes Schmuckstück aus vergoldetem Silber, während Ratzinger einen Ring aus echtem Gold anfertigen ließ.
Der nächste Tabu-Bruch folgt am Gründonnerstag: Papst Franziskus wird die Erinnerung an das letzte Abendmahl erstmals außerhalb der geschützten Mauern der offizillen Kirchen-Gebäuden feiern: Er geht zu der Messe in ein Jugend-Gefängnis am Stadtrand von Rom.
In seinen ersten Botschaften hatte Franziskus gefordert, die Kirche müsse auch selbst arm sein, um als soziale Bewegung eine Autorität zu sein. Dazu gehört der Abschied von Prunk und Pracht.
Die größte Herausforderung für den neuen Papst wird jedoch in konkreten Maßnahmen jenseits der symbolischen Gesten bestehen. Er muss in der Vatikan-Bank für Ordnung sorgen und sicherstellen, dass die Gelder der Kirche transparenter und zielgerichteter verwaltet werden als bisher.
Seine Erfahrung aus Lateinamerika dürfte ihm helfen, den richtigen Spirit für diese Mission aufzubringen. Möglichweise hilft ihm sein Hintergrund als Jesuit, auch die notwendigen Struktur-Reformen umzusetzen. Immerhin stammt der Spruch von den „sündigen Strukturen“ in der Kirche von einem Jesuiten-Kollegen – dem legendären deutschen Konzils-Theologen Karl Rahner.